Eine Nacht zelten ich auf dem Ahipara Holiday Park, dort sind viele junge Leute und einige Wanderer des Te Araroa.
Der 90 Mile Beach ist in Wirklichkeit 90 km lang und erstreckt sich von Ahipara nach Norden fast bis zum Cape Reinga. Es empfiehlt sich die Kette vorher sehr gut zu säubern. Am besten während der Ebbe, aber es geht bereits zwei Stunden nach der Flut, kann man darauf fahren, denn der flache Strand ist vom Gewicht des Meeres ausreichend komprimiert und trägt. An diesem endlosen Strand entlang zu radeln ist eine außergewöhnliche Möglichkeit und absolut genial, nur leider bin ich nicht voll da, denn ich leide den ganzen Tag unter Kopfschmerzen. Bilder gibt es trotzdem. Es herrscht kein Wind, aber schnell ist man auf der ebenen Strecke nicht, man sinkt eben doch im Sand ein. Absolut flach, kein Wind und eine Durchschnittsgeschwindigkeit von nur 13,5 km/h. Auch 4WD Autos und Busse können und dürfen auf dem Strand fahren. Insgesamt ist man aber sehr einsam und hat den Strand für sich alleine.
Am Ende wird es sehr hart, jeden einzelnen Kilometer muss ich beißen, bis ich mit letzter Kraft zu Sonnenuntergang die Bluff Campsite erreiche. Ein paar Te Araroa Wanderer sind auch da, aber mir geht es zu schlecht um mit ihnen zu reden. Ich stelle mein Zelt auf, esse und schlafe.
Am nächsten Morgen wache mit dem Sonnenaufgang um 6 Uhr auf, juhu mir geht es wieder gut. Ich muss früh los, denn Ebbe (low tide) ist um 6 Uhr. 21 tolle Kilometer hab ich noch auf dem Strand. Meine Spur im Sand ist die erste und einzige, ein bißchen wie im frisch verschneiten Gelände. Beim Te Paki Stream muss ich den Strand verlassen. Es gibt keine Straße, der Weg is das Flussbett. Ein Fahren ist nicht mehr möglich. Über eine Stunde schiebe ich mein schweres Rad 3,5 Kilometer durch den teils weichen Sand. Der Fluss ist maximal 20 cm tief, aber mein Rad bleibt leicht im Treibsand stecken. Das ist wohl der Preis für den Strandausflug.
Beim Parkplatz der Te Paki Dunes angekommen, hab ich es geschafft. Am Strand war der Sand eigentlich kein Problem, aber durch den Flussmarsch ist er nun überall. Im Fluss wasche ich alle Taschen und das Fahrrad. Da das Zelt heute früh noch nass war vom Tau, trockne ich es parallel. Im Hintergrund türmen sich die mächtigen Sanddünen auf.
Auf einer guten Schotterstraße erreiche ich die asphaltierte Hauptstraße, tatsächlich die SH1, aber oben im Norden ist die Straße ok. Denn die 100 km lange Sackgasse die (nur) zum Cape Reinga führt, ist die einzige Straße hier und es sind hauptsächlich Touristen unterwegs.
Auf und ab windet sich die Straße zum nordwestlichsten Punkt der Nordinsel. Neben dem schönen Leuchtturm gibt es eine traumhafte Landschaft zu bestaunen. Für die Maori (die Ureinwohner Neuseelands) starten die Seelen der Toten vom Cape Reinga, dem “Absprungplatz der Geister”, ihren langen Pilgerweg zurück zum Ursprung.
Ein Wegweiser zeigt ein paar interessante Distanzen an. Den Äquator habe ich bei Pontianak (Borneo) überquert, er ist jetzt 3827 km entfernt. Den Tropic of Capricorn (südlicher Wendekreis) erreichte ich mit meinem Vater mitten in Australien, die Entfernung beträgt nun 1220 km. Bluff ist die südlichste Ortschaft der Südinsel, 1452 km entfernt, dort komme ich vielleicht noch hin.
So schön das Wetter am Leuchtturm war, bei der Rückfahrt am Nachmittag erwischt es mich. Dunkle Wolken ziehen auf und es beginnt zu regnen. Bis ich meine Regenkleidung an habe bin ich schon nass. Erst nach einer Weile kann ich meinen schlechten Unterstellplatz unter einem Baum gegen einen guten mit richtigem Dach austauschen. Es regnet und regnet und will nicht mehr aufhören. Ich sitze hier fest und der Tag neigt sich dem Ende. Der nächste Zeltplatz ist zu weit weg. Ich warte bestimmt 2,5 Stunden! und dann muss ich endlich los, denn die Sonne geht gerade unter. Der einzige Trost ist ein sagenhaft leuchtender Regenbogen. Ich frage bei Häusern, wo ich zelten kann. Beim Ersten ist niemand da, beim Zweiten können sie mir nicht weiterhelfen und beim dritten Haus habe ich Glück. Es ist bereits dunkel und die nette Maori Familie lässt mich in einem alten Bauernhaus auf ihrem Grund übernachten. Ich bin so glücklich im trockenen zu sein, ich habe sogar eine Dusche, ein Bett, einen Wasserhahn und es ist warm.
Für meinen Kilometerzähler war die Feuchtigkeit leider schon wieder zu viel. Ich frage mich, wann Sigma Sport es schafft wasserfeste Radcomputer herzustellen.
Wild zelten ist wieder unmöglich, also fahre ich zu einem Zeltsymbol in meiner Karte. Wie vermutet ist dort aber nichts. Bei einem privaten Haus, wo das Zeltsymbol verzeichnet ist, frage ich nach. Die Leute sind nett und hilfsbereit, ich kann in ihrem Garten zelten. Abends raschelt es an meinem Zelt, ich bekomme Besuch von einem Igel.
Wilde Truthähne sehe ich des öfteren.
Auf dem Weg nach Kerikeri muss ich auf der SH10 fahren. Es ist unerwartet viel Verkehr und ich frage mich warum!? Zudem wird gerast und unüberlegt überholt. Die Straße nervt mich sehr, aber es gibt keine Alternative. Der raue Asphalt macht die Autos unangenehm laut. Immer mehr bestätigt sich meine These, dass Neuseeland, trotz einer geringen Einwohnerzahl, kein gutes Land zum Radfahren ist! Ich setzte große Hoffnungen auf die viel weniger bevölkerte Südinsel.
Um Kerikeri fahre ich herum und überquere den kleinen Fluss an dessen Mündung das älteste Steinhaus Neuseelands steht. Das Stone Store Haus wurde in den Jahren 1832-1836 erbaut.
Im Wald zwischen Kerikeri und Paihia folge ich dem Te Araroa. Große Schotterstraßen führen durch den Wald. Ich genieße eine stille (verbotene) Nacht mitten im Wald, an einem Sackweg, wo mal Bienenkästen standen.
Nach dem Wald erreiche ich Paihia, dort habe ich die Adresse von Maxines Bruder. Eigentlich ist es ein kleiner Ort, aber gerade ist eines der vielen Kreuzfahrtschiff da und der Ort ist richtig voll.
Sue und Dale umsorgen mich ausgezeichnet während der zwei Tage, die ich mit ihnen verbringe. Ich unternehme eine kleine Wanderungen entlang der Küste und zusammen machen wir einen Ausflug, bei dem wir unter anderem in Kawakawa vorbei kommen. Dort steht ein Bauwerk von Friedensreich Hundertwasser, die (öffentlichen) Hundertwassertoiletten. Er lebte von 1973 bis zu seinem Tod 2000 in Kawakawa.
Eine kurze Fähre, für nur einen Dollar, bringt mich von Opua nach Okiato. Mich erwartet ein bergiger Tag.
Heute ist der 28. November 2017. Etwa bei Whangaruru kommt ein ganz besondere Moment für mich. Mein Kilometerzähler zeigt die Zahl 30.000. Wahnsinn, das muss ich feiern. Vor knapp 20 Monaten bin ich in Nürnberg aufgebrochen. Fast 2000 Stunden habe ich seitdem Fahrrad fahrend verbracht.
Es ist ein gute Tag über kleine, ruhige, verkehrsarme, oft geschotterte Straßen fahre ich weiter gen Süden.
Über manch Dinge denkt man erst nach, wenn man sie sieht. Wie wachsen eigentlich Avocados? Mir war das nicht klar. In Neuseeland gibt es oft am Straßenrand kleine Verkaufsstände. Es wird Obst und Gemüse angeboten und auf Vertrauensbasis bezahlt der Kunde in eine Kasse. Es funktioniert und ist ein tolles System. Oft kaufe ich so Avocados oder Mandarinen. Das ist sehr lokal und direkt, zudem sind die Preise wirklich fair, ja sogar günstiger als im Supermarkt. Manchmal sind die Verkaufsorte nicht direkt an der Straße, sondern nach hinten versetzt, beim Haus. So folge ich einem Avocado Schild und fahre an den großen, üppig tragenden Avocadobäumen vorbei.
Delphine im Wald!? Dieses Kunstwerke ist von Trisha.
Bei Trisha und Alan kann ich in der Nähe von Parua Bay ein paar Tage Pause machen. Mit einem ihrer Kajaks paddel ich den Fluss entlang bis zum Meer, eine tolle Abwechslung, ein schöner Ausflug.
Trisha zeigt mir ihren “Hausberg” und wandert mit mir auf den Mt Manaia. Die Aussicht ist grandios. Auf der anderen Seite des Meeresarmes sieht man die Erdölraffinerie, welche ganz Neuseeland mit Treibstoff versorgt. Dieses kurze Meerstück werde ich ein paar Tage später mit einem Boot überbrücken.
Alan fragt mich, ob ich mit segeln gehen will. Da kann ich nicht nein sagen. Der Segeltripp ist im Rahmen eines Yachtrennens über 17 nautische Meilen (31,5 km). Mit an Bord der “Nice One” sind Alan, zwei seiner Kumpel und ich. Außer Alan haben wir alle nicht viel Segelerfahrung. 8 Yachten starten insgesamt. Wir verpassen den Start um 3 Minuten, starten also als letztes, erreichen aber trotzdem noch den 5 Platz.
Beide bekochen mich mit leckeren thailändischen Gerichten. Trisha ist eine Künstlerin und arbeitet gerade an einer massiven Faust aus der später ein Baum wachsen soll.